Der Blick von unten

Kunstaneignung in der „Ästhetik des Widerstands“

Aus: Z. Zeitschrift marxistische Erneuerung Nr. 107, September 2016

Im Editorial des Themenhefts der Zeitschrift „Das Argument“ zum 100. Geburtstag von Peter Weiss heißt es: „In der Ästhetik des Widerstands geht es um die Frage, wie Fremdbestimmung durch ‚Kulturarbeit’ aufzusprengen sei. Befreiung – dieses Wort gewinnt hier eine neue reiche Bedeutung, denn es geht nicht allein um ‚die Befreiung aus politischer Unterdrückung, sondern ebenso um die Befreiung von den kulturellen Hindernissen (…), die ganze Lebensweise ist gemeint, alles worin man verfilzt ist, worin man lebt‘. ‚Kulturarbeit‘ heißt dann auch Überwindung der Eingeschlossenheit in die Engstirnigkeit, die Trägheit, das Besserwissen. Daher die Bedeutung von Kunst und Literatur, die, wenn sie lebendig sind, ‚immer im Streit gegen etwas stehen‘, keine faule Identität aufkommen lassen, produktive Unruhe verbreiten.“1
Zitiert wird hier Peter Weiss selbst, der nicht, wie es mittlerweile im Kulturbetrieb wieder üblich ist, unter Kultur nur entweder die hohe Kunst oder die Populärkultur verstand, sondern etwas, was „die ganze Lebenshaltung“ meint. „Kultur ist, wie der ganze Mensch lebt und arbeitet“ – das war auch eine Formel, die seit den 1970er Jahren nicht nur in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit Verbreitung fand. Sie richtete sich gegen das elitäre Prinzip des L’art pour l’art und gegen eine bildungsbürgerliche Auffassung von „Kulturgütern“ als „ewigen Werten“, die angeblich nichts mit schnöden Interessen und dem Alltag der Menschen zu tun haben.

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